Ermutigende Erfahrungsberichte
Eine weltweite kirchliche Partnerschaft hat Höhen und Tiefen. Das ist nicht anders als bei anderen Beziehungen auch. Erfahrungsberichte von anderen ermutigen auch für Zeiten, in denen es schwierig wird.
Mit einer weltweiten kirchlichen Partnerschaft ist es, wie es immer im Leben ist: Alles hat (mindestens) zwei Seiten und immer gibt es unterschiedliche Ansichten zum Erlebten – je nachdem, wer gefragt wird.
Nimm diesen Beitrag also als eine persönliche Beschreibung dessen, wie im Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte eine einzelne Person die Partnerschaft erlebt.
Zunächst kurz zu einigen Fakten:
Seit dem Jahr 1973 besteht ein direkter Kontakt zwischen zwei Kirchengemeinden, einer in Deutschland, im damaligen Kirchenkreis Melle und einer in Südafrika, ehemals Kirchenkreis Durban. Das wird als Beginn der Partnerschaft gefeiert, mittlerweile sind 50 Kirchengemeinden in Deutschland und Südafrika partnerschaftlich miteinander verbunden – eine echte Erfolgsgeschichte und ein integraler Bestandteil des Selbstverständnisses im Kirchenkreis.
Mit diesen fast 50 Jahren Partnerschaftsgeschichte sind hunderte Menschen jeden Alters in Delegationen oder allein hin- und hergereist, um die jeweiligen Partner*innen zu treffen und mit ihnen einige Wochen Leben zu teilen. Für die Kirchengemeinden und Kirchenkreise und wohl auch für die meisten Reisenden waren und sind diese Besuche eine besonders lohnenswerte und gewinnbringende „Angelegenheit“. Ich würde sagen, die gegenseitigen Besuche sind immer ein Höhepunkt der Partnerschaft. Denn hier begegnen sich Menschen, lernen sich kennen und bekommen einen Einblick in die Lebenswirklichkeit in anderen Ländern der Welt. Besonders, und das unterscheidet sich von anderen Organisationen, spielen Glaubensfragen immer eine große Rolle: Der eigene Glaube wird, so kann ich das aus über 25 Jahren Anteil an der Partnerschaft sagen, neu bereichert und meistens intensiviert. Das Erleben, wie der Glaube an Jesus Christus in ganz anderen Kontexten gefeiert wird, haben auch diejenigen Menschen erlebt, denen es persönlich schwergefallen ist, sich auf die jeweils anderen Bedingungen, Strukturen, kulturellen Besonderheiten einlassen zu können, die gemeinsame Zeit zu genießen und sich daran zu erfreuen.
Innerhalb der persönlichen Begegnungen gibt es noch besondere Höhepunkte: Das sind meiner Einschätzung nach die längerfristigen Aufenthalte, auch von einzelnen Personen. Das waren bisher überwiegend jüngere Praktikant*innen, die zwischen sechs Wochen und einem Jahr Dienst im jeweiligen Partnerland getan haben. Aber auch die Pensionär*innen, die sechs Wochen Arbeitseinsatz geleistet haben oder das erste Jahr ihres Ruhestandes in Südafrika in Projekten verbracht haben, zeugen von der Lebendigkeit der Beziehungen.
Und das ist vielleicht einer der wichtigen Merkposten für das Gelingen der Beziehung: Immer, wenn jemand sich aufmacht und etwas probiert, das vorher noch nicht gemacht (und manchmal auch gedacht) worden ist, haben sich letztendlich positive Entwicklungen ergeben. Das gilt für das Bemühen, viele Praktikant*innen zu unterschiedlich langen Aufenthalten hin und her reisen zu lassen und auch den Beginn der Partnerschaft des sächsischen Kirchenbezirks Pirna (unsere Partnerschaft in der Landeskirche Sachsens), der zu zwei Kirchengemeinden im Kirchenkreis Umngeni lebendige Beziehungen unterhält. Und diese Verbindung wurde direkt im Jahr 1990, in der Wendezeit in Südafrika und Deutschland, begonnen.
Und: Ich persönlich empfinde Aha-Erlebnisse als Höhepunkte einer Partnerschaft. Das sind Erlebnisse, in denen unser Denken noch einmal durchgerüttelt wird und sich neu bilden muss. Ein Beispiel: In einem Praktikum südafrikanischer Pflegeschüler*innen in Osnabrück stellte sich ganz praktisch heraus, dass die jungen Menschen viel qualifizierter ausgebildet werden und bereits im ersten Jahr der Ausbildung ein Wissen mitbringen, wie es in Deutschland zum Abschluss der Ausbildung erwartet wird! Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Gleichung Nord = hoher Standard, Süd = niedriger Standard einfach nicht funktioniert!
Und auch finanziell ist die Partnerschaft ein Höhepunkt: Denn sowohl die gegenseitigen Besuche als auch bestimmte Projekte sind nie an Finanzen gescheitert. Das liegt am Engagement einzelner Personen, guten Fundraising-Projekten und auch der verlässlichen Bezuschussung in Kirchenkreis und Landeskirche – und auch die Kirchengemeinden tragen einen nicht unerheblichen Teil dazu bei. In den letzten acht Jahren sind an finanziellen Hilfeleistungen mehr als 300.000 Euro nach Südafrika überwiesen worden.
Aber dieser finanzielle Aspekt birgt auch viele Gefahren für eine Partnerschaft. Damit möchte ich auf die Schwierigkeiten eingehen, die sich ergeben können. Ich träume von einer Partnerschaft, in der Geld keine Rolle spielt und muss auch gleich zugeben, dass das eine sehr nordwest-europäische Haltung ist: Wir leben in einem Land, das so reich ist, dass Geld keine Rolle mehr spielen soll. So ein Selbstverständnis trifft nur auf den allerkleinsten Teil der Weltbevölkerung zu.
Manchmal gibt es Misstrauen, ob die Partner mit dem Geld im Sinne der Gebenden umgehen. Doch das halte ich für unbegründet, denn eine Partnerschaft basiert auf Treu und Glauben. Wir sind da noch nie tiefgreifend enttäuscht worden. Es gibt aber weitere Bereiche, die für Tiefpunkte in 50 Jahren Partnerschaft gesorgt haben. Der eine Bereich kann unter dem Stichwort „Selbstverständnis“ kurz erläutert werden: Was ist eine Partnerschaft, gerne auch mit dem Zusatz „auf Augenhöhe“? Hier gibt es immer wieder viele Schwierigkeiten, denn meiner Ansicht nach wird das immer vollmundig gesprochen, aber nicht immer gelebt. Deutlich wird es in vielen Bereichen, hier ein Beispiel unter dem Stichwort „Kontakt/Kommunikation“: Viele Kirchengemeinden und Partnerschaftsaktive klagen darüber, dass sie zu wenig Auskunft von den Partnergemeinden bekommen. Sie hätten keine aktuellen Informationen und fühlten sich daher im „luftleeren Raum“. Rückfragen, wann sie denn das letzte Mal die südafrikanischen Partner über aktuelle Informationen versorgt hätten, werden häufig mit einem weit zurückliegenden Datum beantwortet. Wenn ein Partner immer in der „Bringschuld“ steht und der andere nichts einlösen muss, wird jede Partnerschaft schwierig, zumal auf Augenhöhe! Und leider kann dieses auf fast alle anderen Bereiche von Partnerschaft übertragen werden, wenn es nicht „rund läuft“: Initierung von Projekten, Begegnungen mit thematischen Schwerpunkten, Organisation der Ausschüsse usw.
Und: Ich warne davor, nach einem Aufenthalt im jeweiligen Partnerland, sich als Expert*in zu sehen. Meine Eindrücke geben immer nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit wieder und leider führt so ein vermeintliches Expert*innentum auch häufiger mal dazu, dass für die Partner und nicht mit ihnen gesprochen wird. Und das sind immer Tiefpunkte!
Ein weiteres Hindernis für eine gelingende Partnerschaft sind Umstrukturierungen jeder Art. Manchmal ist das so, wenn aktive Partnerschaftsmitglieder sich zurückziehen (müssen) und die altbekannten Kommunikationswege nicht mehr funktionieren. Noch schwieriger wird es aber, wenn ganze Kirchenkreise neugeordnet werden, wie das sowohl in Südafrika als auch in Deutschland mehrmals geschehen ist. Diese Veränderungen haben uns immer wieder vor einige Probleme gestellt, die auch nicht immer „gut ausgegangen“ sind.
Partnerschaft braucht also einen kontinuierlichen Austausch, aber vor allem Vertrauen und Gelassenheit, damit sie gelingen kann. Und das bedeutet gute Kommunikation und dem jeweils anderen Partner auch etwas zuzutrauen und dessen Hinweise/Ratschläge ernsthaft zu bedenken!
Anke Meckfessel
Vorsitzende Partnerschaftsarbeit im Ev.-luth. Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte
In einer Ehe, in einer Partnerschaft erleben die Beteiligten bewegende Glücksmomente, aber auch belastende Konflikte. Solche Konflikte können die eigene Position schärfen. Sie können in einem vertrauensvollen Dialog ausgetragen werden. Sie können aber auch die Kräfte für das Eigentliche in der Beziehung nehmen. Die Partnerschaft unseres Ev.-luth. Kirchenkreises Cuxhaven-Hadeln mit der Gemeinde Sloka in Lettland kennt diese beglückenden Momente, aber auch die Konflikte, die die Partnerschaft immer wieder auf eine Zerreißprobe stellen. Zwei Themen sind dabei dominant:
1. die Frage der Ordination von Frauen und
2. die Akzeptanz von homosexuellen Beziehungen in den lutherischen Kirchengemeinden.
Als die Partnerschaft zwischen unserem Kirchenkreis und der Gemeinde in Sloka im Jahr 1996 offiziell aufgenommen wurde, hatte sich Jannis Vanags von der Synode der Ev.-luth. Kirche in Lettland (LELB) drei Jahre zuvor zum Erzbischof wählen lassen mit der klaren Ablehnung von Frauen in geistlichen Ämtern. Unser Anliegen damals war vor allem von der Hilfsbereitschaft geprägt. Uns ging es darum, beim „Aufbau Ost“ die kirchlichen Strukturen zu stärken und mit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion der lutherischen Kirche wieder ein Gesicht zu geben. Die Partner nahmen die Hilfsangebote dankbar an, verurteilten aber gleichzeitig die westliche liberale Theologie. Die beiden oben genannten Themen wurden und werden immer wieder – theologisch engführend – in die Mitte der kirchlichen Diskussion gestellt. Delegationsmitglieder fühlen sich oft überfordert, Argumente werden nicht zugelassen, Bibelzitate einseitig interpretiert … Statt biblisch zu argumentieren, ist es deshalb zielführender geworden, von den positiven Erfahrungen mit Pastorinnen im Pfarramt und in der Seelsorge oder auch von der angstfreien Begegnung mit Homosexuellen zu berichten.
Befremdlich war bei älteren lettischen Pastoren eine Art von Gerichtspredigt: Naturkatastrophen wurden als Strafe für die sündige Moral dargestellt. Eine dieser Predigten, die für den Predigtaustausch aus Lettland für einen Partnerschaftsgottesdienst in unseren Kirchenkreis geschickt wurde, hat dann aber tatsächlich dazu geführt, dass ein angeregtes Nachgespräch geführt wurde und die Gottesdienstbesucher ihre offene und liberale Position deutlich geäußert haben.
Bei Begegnungen der Partner haben wir immer wieder Möglichkeiten genutzt, das Unverständnis von westlicher Seite zu äußern und die theologische Engführung anzumahnen. Gott sei Dank gab es nie einen Eklat, der dazu geführt hätte, das Gespräch abzubrechen. Auch als eine Bibelarbeit zum Thema „Gemeindeaufbau“ wieder zur Kritik zum Umgang mit Homosexuellen führte und die Positionen klar ausgetauscht waren, blieb die Beziehung bestehen – dank eines seelsorgerlichen Liedes, das ein Delegationsmitglied anstimmte „Fürchte dich nicht gefangen in deiner Angst!“ (Evangelisches Gesangbuch, Lied 595) Letztendlich entscheidend für unser Miteinander im Rahmen der Partnerschaft war und ist das Bemühen, zu verstehen, was die Gründe für die unterschiedlichen Positionen sind.
Deshalb hatte sich im Jahr 2017 unsere Kirchenkreiskonferenz entschieden, nach Lettland zu reisen, um mit verschiedenen kirchlichen Vertretern das Gespräch zu den theologischen Themen zu führen. Gespräche mit dem Erzbischof und auch mit Theologen von der Rigaer Universität machten deutlich, dass die theologische Entwicklung in Lettland wie überhaupt im Osten durch die sowjetische Zeit stehen geblieben ist bzw. bemüht war, traditionelle Positionen zu konservieren. Umso wichtiger erscheinen deshalb die fortgesetzten Gespräche – gerade an der Basis, in den Begegnungen der Partnerschaften vor Ort.
Und auch wenn die LELB mit dem Beitritt zum Internationalen Lutherischen Rat (ILC) deutlich macht, dass sie sich dem konservativen lutherischen Lager verschrieben hat, gibt es Hoffnungszeichen: Der Erzbischof wird voraussichtlich demnächst in den Ruhestand gehen – in der Hoffnung , dass eine neue Generation von Theolog*innen auch neue Wege beschreiten wird. Aivars Gusevs, Pastor unserer Partnergemeinde in Sloka, antwortete auf die Frage, wann in Lettland wieder Frauen ordiniert werden können: „Gebt uns noch 10 Jahre Zeit, dann ist es wieder soweit …“ Bis dahin bleiben wir im Gespräch, weisen darauf hin, wie wichtig die weibliche Seite in Verkündigung und Seelsorge ist und dass Gott die Menschen so annimmt wie sie sind – auch in ihrer sexuellen Prägung. Schritte in die richtige Richtung sind: Mehr Gelassenheit in die oftmals hitzig geführte Diskussion zu bringen, mehr auf die Beweggründe zu achten und selbst eine klare Position getragen vom biblischen Menschenbild und Gottes Menschenliebe zu beziehen. Eine lebendige Partnerschaft wird diese Konflikte aushalten, ja vielleicht dadurch noch gestärkt werden. Wo das nicht geschieht, sollte vielleicht an ein Ende gedacht werden, bevor die unterschiedlichen Positionen die Freude und die beglückenden Momente einer partnerschaftlichen Beziehung ganz nehmen.
Pastor Bert Hitzegrad
Partnerschaftsausschuss des Ev.-luth Kirchenkreises Cuxhaven-Hadeln